Fotoalbum Jüdische Schule

 
 

Petershagen (Wes). Gute Fortschritte haben die Sanierungs- und Rekonstruktionsmaßnahmen an der jüdischen Schule in der Goebenstraße gemacht. Die Arbeiten begannen im März 2010. Mit dem Abschluss ist im Frühjahr 2011 zu rechnen. Angenommen wird, dass die jüdische Schule als Fachwerkbau im Jahr 1796 errichtet worden ist. Unterricht wurde dort bis 1916 erteilt. Das Klassenzimmer bot Platz für 24 Kinder. Dieser Raum ist 1878 bei einem Umbau nach Süden verlegt worden. Ebenfalls im Gebäude waren ein Zimmer für den Lehrer und die Mikwe. Dieses jüdische Ritualbad ist im Frühjahr 2008 freigelegt worden. Die benachbarte Synagoge mit der Empore konnte nur von der Schule aus erreicht werden.


Die frühere Synagoge, heute als Informations- und Dokumentationszentrum zur jüdischen Orts- und Regionalgeschichte genutzt, wurde 1988 unter Denkmalschutz gestellt. Die jüdische Schule ist im Jahr 2007 von der Arbeitsgemeinschaft „Alte Synagoge Petershagen“ und der Stadt erworben worden. Der Denkmalschutz trat 1999 in Kraft. In dem ehemaligen Wohngebäude begannen im März 2008 archäologische Untersuchungen, Grabungen und die Entkernung. „Trotz der für unser Bauvorhaben ungünstigen Witterung mit dem harten Winter 2009/2010 sind wir voll im Plan“, machte AG-Vorstandsmitglied Wolfgang Battermann bei einer Besichtigung und Baubesprechung deutlich. Ebenfalls beteiligt waren der Vorsitzende des Trägerkreises „Ehemalige Synagoge“, Heinrich Rötger, der zuständige Petershäger Amtsleiter, Karl-Heinz Hucke, Fachamtsmitarbeiter Detlev Scheumann und Architekt Friedhelm Krensing. Battermann wies darauf hin, dass bei den Arbeiten alle Vorgaben berücksichtigt würden: „Wir stehen mit dem Denkmalamt in Münster in ständigem Kontakt“. Ein Thema war die Mikwe, die gleich zu Beginn der Grabungen in der nordöstlichen Ecke des früheren Schulgebäudes entdeckt worden ist. Dort war für die Wohnraumnutzung eine moderne Küche eingerichtet worden. Unter dem dicken Betonestrich wurden die Fachleute auf eine Fußbodenuntergliederung aus Sand- und Backsteinen aufmerksam. Schließlich kamen sechs Steinstufen ans Tageslicht, die in einem Halbkreis nach unten in eine rechteckige Kammer führten. Dieser Raum war mit Schutt und Erde verfüllt worden.


Nach der Freilegung dauerte es nicht lange, bis klares Grundwasser eindrang. Zur großen Überraschung der Archäologen handelte es sich um eine ehemalige Mikwe. Dieses Tauchbad war im jüdischen Ritus von Bedeutung. Beispielsweise vor religiösen Festtagen wurde es zur symbolischen Reinigung der Menschen genutzt. Die baulichen Untersuchungen ergaben, dass die Mikwe bereits ein Teil des Gebäudes von 1796 war. Das Wasser der Mikwe konnte in einen Kanal abgeleitet werden. Bei den Grabungen im Schulgebäude gelang es, diese Rinne freizulegen. Gut sichtbar wird das leichte Gefälle dieses Abflusskanals. Die Mikwe wurde vermutlich schon während der Neubauaßnahmen 1845/46 oder kurze Zeit später aufgegeben. Nach der Verfüllung und der Versiegelung mit der Backsteinlage geriet sie in Vergessenheit. Den Aufräumungsarbeiten im März 2010 folgten umfangreiche Sanierungsmaßnahmen. Ein wichtiger Schritt war die Sicherung des Dachstuhls und der Westwand. „Dabei gelang es, die Schieflage zu beseitigen, allerdings wurde bewusst ein kleiner Neigungswinkel erhalten. Weitere Sanierungsmaßnahmen galten bisher dem Ständerwerk und den Gefachen.


Dabei sind alle alten Steine wieder eingemauert worden“, machte Wolfgang Battermann deutlich. Die weiteren Planungen sehen vor, nach alten Bauzeichnungen auch wieder eine steile Holztreppe, die früher zur Frauenempore führte, einzubauen. Nach Abschluss der Arbeiten kann das vollständige ehemalige jüdische Gemeindezentrum in Petershagen besichtigt werden. Ein Führungsplan liegt bereits vor. Die erste Station ist der Außenbereich in der Goebenstraße mit Blick auf die Südseite der ehemaligen jüdischen Schule und des Betsaals (Synagoge). Eintritt in das frühere Klassenzimmer und in die Ein-Zimmer-Lehrerwohung sowie Besichtigung der Mikwe schließen sich an. Danach geht es in die Synagoge, die während des Pogroms am 10. November 1938 geschändet worden ist. Dabei wurde die Inneneinrichtung zerstört. Das Gebäude blieb erhalten und wurde nach dem Verkauf im Jahr 1939 bis in die 90er-Jahre als Lagerraum genutzt. Die Wende trat 1995 ein, als die frühere Synagoge wieder in den Blick der Öffentlichkeit geriet. Im Jahr 1998 kaufte die Stadt Petershagen das Gebäude. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten wurde das Informations- und Dokumentationszentrum eröffnet. Im Innenbereich ist die ehemalige Anordnung von Bima, Frauenempore und Thora zu erkennen. An die ermordeten Petershäger Juden erinnert eine Bronzetafel. Die ersten elf Stolpersteine für die früheren jüdischen Einwohner hat der Kölner Künstler Gunter Demnig im Juni 2009 in der Innenstadt verlegt. 2010 kamen zehn weitere Steine dazu.


Bildzeile: Nr. 1660-1661: An der Besichtigung und Baubesprechung in der alten jüdischen Schule nahmen Wolfgang Battermann, Heinrich Rötger, Friedhelm Krensing, Karl-Heinz Hucke und Detlev Scheumann (von rechts) teil.


Bildzeile: Nr. 1645-1647: Die Sanierungs- und Rekonstruktionsarbeiten an der alten jüdischen Schule in Petershagen haben im März 2010 begonnen. Zwischenzeitlich war die Westseite freigelegt.


Bildzeile: Nr. 1652-1656-1657-1659-1664: Von innen war durch die geöffnete Westseite ein Blick auf einen Abschnitt der Goeben- und Wilhelmstraße möglich.


Bildzeile: Nr. 1648: Die Gefache sind mit alten Steinen wieder geschlossen worden.


Bildzeile: Nr. 1662-1665: Auch im Innenbereich der alten jüdischen Schule stehen nach Absprache mit dem Denkmalschutz umfangreiche Arbeiten auf dem Programm.

Fotos: Ulrich Westermann

 

Fortschritte der Sanierungsarbeiten

23. Juli 2010