Aschehaufen erinnert an Vernichtungslager
Aschehaufen erinnert an Vernichtungslager
Jugendliche aus Petershagen und Minden berichten im Alten Amtsgericht von ihrer Reise zu den Überresten von Sobibor
Dienstag, 4. Februar 2014
Petershagen (mt/lkp). Einen eindrucksvollen Abend hat jetzt eine Gruppe Jugendlicher im Alter von 18 bis 23 Jahren im Alten Amtsgericht in Petershagen gestaltet. Auf Einladung des Arbeitskreises Alte Synagoge Petershagen und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Minden vermittelten sie einen Überblick über ihre Reise nach Polen.
Im vergangenen Herbst waren die Schüler aus Minden, Petershagen und Stolzenau, begleitet von Ute Müller vom Mehrgenerationenhaus Stolzenau und Martin Guse von der Dokumentationsstelle Pulverfabrik Liebenau und dank der Unterstützung durch Wolfgang Battermann von der AG Alte Synagoge Petershagen, in die Nähe von Wlodawa kurz vor der ukrainischen Grenze gereist. Dort hatten die Nationalsozialisten 1942 in Sobibor eines der drei Vernichtungslager der sogenannten „Aktion Reinhardt“ errichtet.
Obwohl dort mindestens 250 000 Menschen getötet wurden, ist Sobibor heutzutage nur den wenigsten ein Begriff. Im Vergleich zu anderen Lagern ist Sobibor vor allem insofern eine Besonderheit, als dort der einzige erfolgreiche Aufstand in einem Vernichtungslager der NS-Zeit stattfand. Am 14. Oktober 1943 bäumten sich 600 Häftlinge auf gegen das von den Nazis für sie vorgesehene Schicksal, 400 von ihnen konnten fliehen. Nur 47 von diesen 400 überlebten bis zum Kriegsende. Zwei Tage nach dem Aufstand wurden 30 Juden aus Treblinka geholt, um das Lager Sobibor zu zerstören – und um nach getaner Arbeit getötet zu werden.
Massengrab für 250 000 Menschen
Am 14. Oktober 2013 jährte sich der Aufstand zum 70. Mal und aus diesem Anlass hatte die Stiftung für Polnisch-Deutsche Aussöhnung eine internationale Jugendbegegnung mit Gruppen aus Israel, den Niederlanden, Polen, Russland, Weißrussland und der Ukraine organisiert. Aus Deutschland reisten Finn Bartels aus Mark-lohe, Denis Engelhardt aus Nienburg, Kasimir Heeren aus Minden, Malte Klimpsch aus Steyerberg, Justus Mackenbrock aus Minden, Rica Riechmann aus Petershagen und Lea Witte aus Uchte, beide vom Städtischen Gymnasium Petershagen, an.
Kurz vor der Reise war es zu Verstimmungen gekommen, weil die Bundesrepublik Deutschland sich bis heute weigert, einen Beitrag zur Errichtung der geplanten Gedenkstätte in Sobibor zu leisten – mit der Begründung, dass dort schließlich keine Deutschen zu Tode gekommen seien. Deshalb waren die sieben Jugendlichen und ihre Begleiter Ute Müller sowie Martin Guse letztlich die einzige „offizielle“ deutsche Delegation bei der groß angelegten Gedenkfeier.
Die riesige Rasenfläche über dem Massengrab, in dem 250 000 Menschen liegen, der symbolische Aschehaufen, der an das Vernichtungslager erinnert, und die Ausstellung „Aus der Asche von Sobibor“ – all das hat die Jugendlichen stark beeindruckt und wahrscheinlich für immer geprägt. Noch schwerwiegender waren jedoch letztlich wohl die Gespräche mit dem 87-jährigen heute in New York lebenden Zeitzeugen Philip Bialowitz, der damals beim Aufstand entkam und sich schwor, zeit seines Lebens die Erinnerung an die Opfer Sobibors aufrechtzuerhalten, und die Begegnungen mit Jugendlichen aus Israel.
Unvergesslicher Moment nach Gedenkfeier
Großartig und unvergesslich war für die kleine deutsche Gruppe der Moment, als die jungen Menschen aus Israel nach der Gedenkfeier auf sie zukamen, gemeinsam mit ihnen einen Kreis bildeten und sich bei ihnen dafür bedankten, diesen besonderen Tag mit ihnen geteilt zu haben.
Ausgesprochen ernst nimmt die junge Reisegruppe jetzt die Bitte von Philip Bialowitz, „Zeitzeugen der zweiten Generation“ zu werden und die Botschaft aus Sobibor weiterzutragen: Auf den Informationsabend in Petershagen folgte ein weiterer in Stolzenau, und für den Herbst ist geplant, die Ausstellung „Aus der Asche von Sobibor“ nach Deutschland zu holen.
Völkerverständigung:
Die Gruppe aus Deutschland verstand sich gut mit den Jugendlichen aus Israel.
Fotos: pr
Fotodokumentation:
Kasimir Heeren (links) vom Ratsgymnasium Minden und Justus Mackenbrock vom Herder-Gymnasium schilderten die wichtigsten Stationen ihrer Reise nach Sobibor.